

Verzichten heißt neu wertschätzen
26.07.2022 Sibylle Schwenk
Die Energiepreise steigen. Was seit Jahrzehnten als selbstverständlich angenommen wurde, nämlich im Winter warme Räume zu haben, steht plötzlich in Frage. Zudem treiben jetzt schon die in die Höhe schnellenden Energiepreise die Menschen in Nöte. Und zwar jene, die eh schon einen kleinen Geldbeutel haben, die sich Preissteigerungen um gut ein Drittel schlichtweg nicht leisten können. Eine Bewusstseinsänderung steht uns allen bevor. Wie können wir damit umgehen, auf bisher Selbstverständliches zu verzichten und zudem an diejenigen in der Zivilbevölkerung zu denken, denen diese Energiekrise wirklich zu schaffen macht?
Ein Gespräch mit dem katholischen Jugendreferenten Marios Pergialis und dem Geschäftsführer der Evangelischen Erwachsenenbildung, Marc Schnabel.
Hand aufs Herz: Hätten Sie gedacht, dass wir im reichen Deutschland mal in die Situation kommen würden und überlegen müssen, ob wir den Raum auf 18 oder 19 Grad aufheizen?
Pergialis: Es konnte ja so nicht weitergehen. Immer weiter, immer schneller, immer höher. Deshalb habe ich schon damit gerechnet, dass irgendwann ein Umdenken, eine Kehrtwende stattfinden muss. Alles, was wir brauchen, haben wir ja, wir müssen nur reduzieren.
Schnabel: Wir tendieren dazu, eher das zu sehen, was wir nicht haben und vergessen dabei, wie gut es uns eigentlich geht. Wir können lernen, dafür dankbar zu sein. In anderen Ländern gibt es weitaus größere Herausforderungen.
Gibt es einen Plan, um gut in diesen „Verzicht-Modus“ zu kommen?
Pergialis: Es macht Sinn, viele Fragen zu stellen und die eigene Lebenshaltung zu überdenken. Brauche ich das neue Teil wirklich? Was ist Luxus? Was mache ich, damit ich nachhaltig lebe? Auf etwas zu verzichten, heißt im gleichen Zuge: Gutes tun, indem wir die Welt für die kommende Generation bewahren.
Schnabel: Die Idee des bewussten Verzichts und des Überdenkens des eigenen Verhaltens kennen wir Christen aus der Fastenzeit. In diesem Jahr gab es wieder das „Klimafasten“, bei dem es um achtsamen Umgang mit unserer Erde geht. Wenn man bewusst verzichtet, lernt man wieder Dinge wertzuschätzen.
Die Energiekrise wird in der Zivilbevölkerung wieder die sozial Schwachen treffen. Wie können wir uns solidarisch zeigen?
Schnabel: Als Kirche müssen wir genau hinschauen und Menschen in ihren konkreten Schwierigkeiten wahrnehmen. Wir können uns solidarisch zeigen, indem wir uns wirklich und echt für unsere Mitmenschen interessieren. Christliche Haltungen und Werte wie z.B. Nächstenliebe, Gemeinschaft, Teilen, füreinander da sein ermöglichen dabei Ansatzpunkte, den Problemen zu begegnen.
Pergialis: Wir sollten über den eigenen Tellerrand hinausschauen und unsere Mitmenschen ehrlich sehen. Wo und wie kann ich teilen? Hier können die ganzen Sharing-Ideen eine große Rolle spielen. Wir müssen wieder enger zusammenrücken und mehr zusammen machen.
Welchen Beitrag leisten die Kirchen, um Energie einzusparen?
Schnabel: Klima- und Umweltschutz, oder im christlichen Kontext „die Bewahrung der Schöpfung“ ist bei vielen Kirchengemeinden ein großes Thema. Es gibt Projekte wie „Grüner Gockel“ oder „Faire Gemeinde“, die eine nachhaltige Lebensweise umsetzen. Wir werden danach schauen, dass nur die Räume warm sind, die man auch nutzt. Kirchenräume sind Räume für Begegnung. Da sollte man nicht gerade frieren müssen. Man könnte auch über die gemeinsame Nutzung von Räumen nachdenken – z. B. mit der bürgerlichen Gemeinde oder innerhalb der Ökumene.
Pergialis: Bei Gebäuden ist die Möglichkeit der Energieeinsparung am größten. Unsere Diözese achtet sehr genau auf energieeffizientes Bauen. In den Seelsorgeeinheiten wird jetzt schon genau überlegt, wo und wie im Winter geheizt wird. Zum Beispiel, ob der Sonntagsgottesdienst mal im geheizten Gemeindehaus stattfinden kann, oder nur in einer Kirche innerhalb der Seelsorgeeinheit. Daneben bietet die Diözese nun Job-Tickets für den ÖPNV an, um Sprit einzusparen. Zunehmend finden Konferenzen, für die lange Anfahrtswege nötig wären, online statt.
Wie sehen die Kirchen das Spannungsfeld Ensemble- und Denkmalschutz versus PV-Anlagen, beispielsweise auf historischen Kirchendächern?
Schnabel: Es gibt eine Initiative der evangelischen Landeskirche, auf denkmalgeschützten Gebäuden PV-Anlagen installieren zu dürfen, dort wo es sinnvoll ist. Gelingt das, werden hierfür Fördergelder bereitgestellt.
Pergialis: Die Chorräume unsere Kirchen sind immer nach Osten ausgerichtet. Das heißt, es gibt ein Südseiten-Dach. Hier könnten wir unserer Vorbildfunktion nachkommen und PV-Anlagen installieren. Wir sind froh, dass die Landesregierung beim Denkmalamt einen Vorstoß gemacht hat, damit dies künftig einfacher möglich ist.