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Foto (Schwenk): Dekanatsreferent Romanus Kreiilinger

Knospen zu Blüten erschließen

Romanus Kreilinger in der Reihe „Wort zum Sonntag

Jedes Jahr künden blühende Bäume für mich den Frühling an. Zunächst die Kirsch- dann die Apfelblüte. Nach langen kalten, dunklen Wochen brechen helle, frische Kunstwerke wie ein Wunder hervor. Frische Farbtupfer in Gärten und ganz besonders auf Obstbaumwiesen laden mich ein die Natur zu entdecken.
Der bekannte Philosoph Rabindranath Tagore hat dieses Wunder der Blüten in lyrische Worte gekleidet.
„Nein, euch ist es nicht bestimmt, die Knospen zu erschließen zu Blüten.
Schüttelt die Knospe, schlagt sie; es geht über eure Macht, sie zum Blühen zu bringen.
Eure Berührung beschmutzt sie, ihr zerreißt sie in Stücke und werft sie in den Staub. Aber keine Farben erscheinen und kein Duft. Ach! Nicht euch ist es bestimmt, die Knospen zu erschließen zu Blüten.
ER, der die Knospe öffnen kann, tut es einfach.
Er schenkt ihr einen Blick, und der Lebenssaft strömt durch ihre Adern. Auf seinen Hauch hin breitet die Blume ihre Flügel und flattert in den Wind. Farben brechen heraus wie Sehnsüchte, der Duft verrät ein süßes Geheimnis. ER, der die Knospe öffnen kann, tut es einfach.“
ER, der die Knospe öffnen kann, tut es einfach; und wir dürfen staunen und uns erfreuen. Solche Wunder weisen darauf hin, dass wir nicht alles in der Hand haben. Wir können nicht alles kontrollieren oder bis ins Letzte erklären. Auch nicht mit künstlicher Intelligenz, die derzeit fasziniert und so Viele in ihren Bann zieht. Und das ist gut so. Es tut uns Menschen gut, wenn wir dem Wunder der Natur, dem Unerklärbaren und Unfassbaren Raum geben. Wunder können uns den Blick öffnen für die Kraft die unser Verstehen übersteigt. Wir müssen nicht alles aus eigener Kraft leisten und perfektionieren. Wir dürfen in dem was uns begegnet das Wunderbare erkennen – ihn, der die Knospe öffnen kann und es einfach tut. Für uns Christen ist es Gott, der uns das Wunderbare schenkt, uns staunen lässt, uns frei macht vom Druck alles verstehen und machen zu müssen. Er lässt uns staunen über unser Leben und dafür dankbar sein.
Ich wünsche einen schönen, hoffentlich wieder sonnigen Sonntag, an dem Sie das eine oder andere kleine Wunder entdecken. Und vielleicht auch noch Knospen, die sich auf den Weg machen zur Blüte, zur Frucht. Einfach so!