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Foto (Schwenk): Das neue Register in der Kirche St. Franziskus Schwäbisch Gmünd auf der Kanzel

Tänzelnde Klangtropfen von der Kanzel

14.07.2023 Sibylle Schwenk in der neuen echo-Ausgabe 

Imposant steht sie da – die Orgel mit ihrem beeindruckenden 16´-Prospekt auf der Empore der Kirche St. Franziskus. Die ehemalige Kloster-Kirche selbst liegt etwas versteckt in der Altstadt Schwäbisch Gmünds und genauso versteckt ist auch das Vibraphon, das sich auf der Kanzel der Kirche befindet. Das Schlaginstrument wurde so umgebaut, dass es die Organisten per Tastendruck bedienen können.

„Das gibt es sehr selten“, sagt Kirchenmusikdirektor Stephan Beck und legt den Registerschalter für das Vibraphon um. Feine Klänge huschen durch den Kirchenraum, zart und mit einer besonderen Klangfarbe. Das Geheimnis liegt einige Meter weit weg vom Orgelspieltisch, nämlich auf der Kanzel der Kirche. Dort erzeugen kleine Filzhämmerchen, wie man sie aus dem Klavierbau kennt, die Töne des Vibraphons. Das Gmünder Vibraphon ist anschlagsdynamisch gebaut, kann also wie ein Klavier durch differenzierten Tastendruck lauter und leiser angespielt werden, was bei Orgeln ja sonst nicht möglich ist. „Ich kenne nur ganz wenige Orgeln, die so ein Register besitzen. Als diese Idee reifte, musste ich für einen Klangeindruck bis an den Niederrhein fahren“, führt Stephan Beck aus. Keine Orgel allerdings dürfte es bisher geben, die das Vibraphon, wie jetzt in St. Franziskus, auf der Kanzel platziert. Diese Aufstellung bietet im Kirchenschiff eine zusätzliche klang-räumliche Wirkung zur großen Orgel auf der Westempore – wie nah und fern.

Die Franziskus-Orgel stammt aus den 1960er-Jahren und wurde von der Orgelbaufamilie Walcker aus Ludwigsburg gebaut. Es ist eine große Orgel mit 3 Manualen, 35 Registern, rund 2500 Pfeifen und mehr als 3000 Registratur-Speicher-Kombinationen. Stephan Beck demonstriert eindrücklich den gewaltigen, mitreißenden Klang der kürzlich überholten Orgel. Dann stellt er das Vibraphon ein. Tänzelnde Klangtropfen, die ein wenig an Jazz erinnern, „fallen“ von der Kanzel. „Mit dem Vibraphon können wir das Klangspektrum der Orgel im Piano-Bereich erweitern. Es geht überhaupt nicht um Kraft oder Lautstärke, sondern vielmehr um sensible Abstufungen und feine Nuancen, ums Ohren-Spitzen für bisher Unerhörtes; auch um ein positives – durchaus sinnliches – Orgel- und Orgelklang-Erlebnis“, erklärt Beck.

Das Instrument, das im Normalfall mit Schlägeln gespielt wird, wurde von der Firma studio49 bei München hergestellt und von der Firma FSB Orgelbau und Elektrotechnik Frankfurt/Main so umgestaltet, dass eine Anbindung an die bestehende Orgel möglich wurde. Auch die sonstige Elektronik der Orgel, die es den Organisten ermöglicht, ihre eigenen Registratur-Kombinationen auf einem Chip zu speichern, stammt von dieser Firma.

„Das ist auch hinsichtlich des Orgelimprovisationswettbewerbs beim „Festival Europäische Kirchenmusik“ eine gute Sache, lässt Stephan Beck wissen. Am 29. Juli werden 17 Organistinnen und Organisten aus ganz Europa die Franziskus-Orgel spielen. Ihre Gmünder Eindrücke werden sie in die Heimat mitnehmen.

Dass der Schalter für „Vibraphon“ umgestellt wird, gilt als gesetzt.