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Fritscher Karin 2016
Foto (Schwenk): Karin Fritscher, Klinikseelsorgerin

Franz von Assisi

Karin Fritscher in der Reihe „Wort zum Sonntag“

Am 4. Oktober feiern wir den Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi. Früher waren Heilige Vorbilder. Nicht nur Päpste suchten sich einen Heiligen als Patron aus, sondern man gab auch Kindern den Namen einer oder eines Heiligen um ihm damit ein Vorbild zu geben. Heutzutage sind Heilige als Vorbilder out. Es gibt viele Legenden und Geschichte, die sich um das Leben von Heiligen ranken, die unglaubwürdig klingen und oft auch erfunden sind. Und dennoch denke ich, dass Heilige uns auch heute noch etwas zu sagen haben. Manchmal auch mit den „unglaublichen“ Geschichten aus ihrem Leben. Nämlich dann, wenn wir sie symbolisch lesen. Für heute, für den Gedenktag des Franz von Assisi habe ich die Geschichte der Zähmung des Wolfes von Gubbio ausgewählt. Ein reißender Wolf versetzte die Umgebung der Stadt Gubbio in Angst und Schrecken. Die Bürger warnten ihn: Hüte dich, Bruder Franz! Der Wolf wird dich töten! Franziskus ging dennoch ohne jeden Schutz zum Wolf in den Wald, nannte ihn seinen Bruder und versprach ihm, für die tägliche Nahrung zu sorgen. Im Gegenzug solle er die Städter und deren Vieh in Ruhe lassen. So zähmte Franziskus den Wolf.
Eine unglaubliche Geschichte, oder? Aber wie sieht das aus, wenn wir uns den Wolf „einfach nur“ als einen – womöglich bis an die Zähne bewaffneten – Gegner vorstellen? Was passiert, wenn wir so jemandem ebenfalls bewaffnet und kampfbereit gegenüber treten? Es wird aller Wahrscheinlichkeit nach zum Kampf kommen. Aber wenn wir dafür sorgen, dass der andere keine Angst mehr vor uns zu haben braucht und für sein tägliches Auskommen gesorgt ist, dann sieht das schon anders aus. Dann besteht die Möglichkeit einer „Zähmung“, einer Aussöhnung zwischen uns und unserem Gegner.
Ich denke diese Seite des Franziskus könnte uns auch heute im Umgang mit anderen Menschen im Privaten, in der Gesellschaft und auch in der Politik zum Vorbild dienen. Und die Geschichte ist dann gar nicht mehr so unglaublich.

Karin Fritscher
Klinikseelsorgerin