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Foto (Schwenk): Pfarrer Manfred Metzger und Pastoralreferentin Silke Weihing

Einfach mal die Bibel "queer" lesen

Sibylle Schwenk in der Reihe „kreuz und quer“ der Remszeitung

Segnung von queeren Paaren – Silke Weihing und Pfr. Manfred Metzger

Einfach mal die Bibel „queer“ lesen

Die Frage nach der Segnung von queeren Paaren beschäftigt die christlichen Kirchen seit vielen Jahren und zeigt die unterschiedlichen theologischen und ethischen Positionen auf. Obwohl es theologisch gesehen keinen Unterschied macht, wird in den christlichen Kirchen im Land lediglich eine „Segnung“ ermöglicht, keine Trauung. Doch es tut sich etwas in der Praxis. In der Reihe „kreuz und quer“ haben wir mit der katholischen Pastoralreferentin Silke Weihing und dem evangelischen Pfarrer Manfred Metzger darüber gesprochen.

Wie ist denn der momentane Stand der Dinge in Sachen Segnung von queeren Menschen?

Manfred Metzger: In unserer Landeskirche, die konservativ-pietistisch geprägt ist, muss eine Kirchengemeinde einen Antrag mindestens mit einer dreiviertel Mehrheit an den Oberkirchenrat stellen, dass die Gottesdienstordnung geändert wird. Dann kann eine Segnung in dieser Gemeinde stattfinden. Im Unterschied dazu gibt es in 15 von 20 Evangelischen Landeskirchen in Deutschland schon die Trauung für alle.

Silke Weihing: Auf das große „Nein“ des Vatikans Anfang 2023 gab Papst Franziskus mit dem Schreiben „Fiducia supplicans“ sein Einverständnis, dass gleichgeschlechtliche Menschen gesegnet werden dürfen, allerdings darf dies nicht in einem Gottesdienst passieren und nicht der kirchlichen Trauung gleichgesetzt werden.

Hat sich denn inzwischen etwas getan? Schließlich sind doch gerade die Kirchen der Akzeptanz aller Menschen im Sinne der Nächstenliebe verpflichtet…

Weihing: Tatsächlich kam erst vor Kurzem eine Handreichung der Diözese Rottenburg-Stuttgart heraus, die sich mit den Segensfeiern von Paaren beschäftigt mit dem Titel „Wir lieben uns – welch ein Segen!“. Hier werden neue Wege seelsorgerlicher Begleitung für Paare, die um den Segen für ihre Beziehung bitten, aufgezeigt – ungeachtet ihrer sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten. Das ist schon ein deutliches Weitergehen in die richtige Richtung.

Metzger: Als einer der Sprecher der Arbeitsgruppe „Kirche und queer“ setze ich mich dafür ein, dass hier endlich keine Unterschiede mehr gemacht werden. In den evangelischen Kirchen hat sich schon ein offenerer Umgang – zumindest mit gleichgeschlechtlichen Paaren –  entwickelt. Das reformatorische Grundverständnis und die Auslegung der Bibel in zeitgemäßer Form sind die Gründe dafür. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Menschen kirchlich getraut werden können. Wir müssen endlich aufhören, Menschen aufgrund ihrer Sexualität zu diskriminieren!

Weihing: Die Kirche sollte sich generell heraushalten aus dieser moralischen Nummer. Jeder und jede kann sein wie er will!

Wie stark ist eigentlich die Nachfrage nach Segnungen?

Metzger: Viele mit anderen sexuellen Orientierungen haben die Kirche bereits verlassen, auch viele Mitarbeitende übrigens. Das ist ja auch mehr als verständlich. Schließlich machen wir ja durch diese unterschiedliche Behandlung unterschwellig die Aussage: „Wir wollen euch eigentlich nicht“. Wenn man davon ausgeht, das ca. 10 Prozent der Menschen eine andere als die heterosexuelle Orientierung haben, müsste auch die Nachfrage nach Segnungen entsprechend sein. Momentan ist das aber nicht der Fall.

Weihing: Bisher haben wir in Schwäbisch Gmünd immer Valentinsgottesdienste abgehalten, wo auch die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren möglich war und auch vorgenommen wurde. Als Pastoralreferentin werde ich zu Trauungen oder Segnungen eher weniger angefragt.

Was wünschen sie sich von ihrer Kirche?

Metzger: Ich wünsche mir, dass wir die Bibel „queer“ lesen. Es gibt so viele Stellen in der Bibel, die darauf hinweisen, dass es schon zu allen Zeiten queere Beziehungen gab, auch im Alten Testament. Jesus sagt explizit dazu gar nichts. Ich wünsche mir auch, dass wir wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen lassen. Beispielsweise ist es mittlerweile erwiesen, dass Homosexualität von Geburt an besteht. Und ich wünsche mir, dass wir Menschen nicht diskriminieren. Zwei Menschen wollen heiraten. Das sollte von der Kirche vollumfänglich unterstützt werden.

Weihing: Ich wünsche mir, dass Paare würdig getraut werden können, ganz ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung, weil diese nicht wichtig ist. Im Zentrum soll dabei die Überzeugung stehen: Wo Menschen sich in Liebe und Verantwortung begegnen, ist Gott gegenwärtig – und dieses Miteinander ist segenswürdig.  Außerdem wünsche ich mir, dass die Kirche diese Liebe nicht nur anerkennt, sondern auch begleitet.