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Foto (Schwenk): Dekanatsreferent Tobias Krieigsch und Marc Schnabel, Leiter der ev. Erwachsenenbildung

Der echte Dialog bekommt eine neue Qualität

Sibylle Schwenk in der Reihe „kreuz und quer“ der Remszeitung

Stehen wir am Beginn eines neuen Zeitalters? Seit die textende Revolution ChatGPT von allen – noch mehr oder weniger heimlich – genutzt wird, die Berichte, Aufsätze oder Reden schreiben müssen, ist das Thema der Künstlichen Intelligenz in aller Munde. Die Fähigkeiten von KI sind frappierend und machen gleichzeitig Angst vor der Zukunft: Wird uns die Künstliche Intelligenz tatsächlich unterstützen oder wird sie uns beherrschen? Sind wir eigentlich selbst intelligent genug, um Künstliche Intelligenz sinnvoll zu nutzen? Inwiefern sehen sich die Kirchen in der Pflicht, die ob ihrer Möglichkeiten schier nicht mehr aufzuhaltende Forschungslust ihre ethischen Grenzen zu setzen? Ein Gespräch mit dem Leiter der evangelischen Erwachsenenbildung, Marc Schnabel, und mit dem katholischen Dekanatsreferenten Tobias Kriegisch.

Haben Sie das Programm ChatGPT schon einmal selbst ausprobiert?

Kriegisch: Ja, ich habe es tatsächlich schon ausprobiert und ein Gebet schreiben lassen. Ganz ehrlich, da habe ich schon schlechtere gelesen! Ich finde es durchaus hilfreich, wenn man auf der Suche nach Formulierungen ist. Dieses Programm ist faszinierend und erschreckend zugleich, denn ich habe auch meinen Lebenslauf schreiben lassen…

Beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg gab es einen Gottesdienst, ausgeführt von KI. Er ist nicht besonders gut bei den Menschen angekommen.

Schnabel: Es war ein Versuch, der meines Erachtens zeigt, wo die Grenzen von KI sind. Aus meiner Sicht müssen wir sowieso einen Schritt zurück machen. Es gilt, eine Grundlage für den Einsatz von KI zu schaffen und die Digitalisierung generell zu unserem Nutzen einzusetzen. Wo kann uns KI im Alltag helfen? Wo in der Forschung, zum Beispiel in der Medizin?

Kriegisch: Der Gottesdienst ist ein echtes In-Kontakt-Treten mit den Menschen und mit Gott. Das können Avatare, gesteuert von einer KI, nicht leisten. Dennoch erkenne ich natürlich, dass die digitale und reale Welt immer stärker verschmelzen. Doch momentan spüre ich noch nichts, wenn eine Kerze im virtuellen Raum angezündet wird.

Wovor haben Sie Angst/Respekt in der Entwicklung Künstlicher Intelligenz?

Kriegisch: Ich habe keine Angst – aber wir müssen schon achtsam sein, was uns die KI vorsetzt und uns zunehmend fragen: Spreche ich mit einer Maschine oder einem Menschen? Die Chance liegt auch darin, dass die echte Begegnung, der echte Dialog, eine neue Qualität bekommt. Für mich ist KI irgendwie wie eine schwarze Box, in die man nicht reinschauen kann. So geht es wahrscheinlich vielen. Man versteht nicht, wie es funktioniert. Und das macht auch ein Stück weit Angst.

Schnabel: Die Digitalisierung und KI haben uns schon viele Dienste geleistet, die sehr nützlich sind. Denken Sie an Navigationssysteme oder an künstliche Prothesen. Der verantwortungsvolle Umgang mit KI ist der Schlüssel, damit es keine Verselbständigung gibt. Diese Verantwortung beginnt im Übrigen schon beim Programmieren.

In welchen Bereichen müssen die christlichen Kirchen intervenieren?

Schnabel: Die Kirchen stehen für menschliche Werte ein, Nächstenliebe, Verantwortungsbewusstsein, Solidarität. Diese Werte müssen auch in die KI einfließen. Hier ist die Bildung entscheidend – und hier können wir als Kirchen einwirken.

Kriegisch: Die Menschen zu sensibilisieren mit digitalen Medien oder KI verantwortungsvoll umgehen zu können, ist unsere Aufgabe. Auch, dass wir als Kirche den Diskurs anstoßen, dass geklärt wird: Was soll die KI für uns machen? Wie weit darf sie gehen? Spontan fallen mir Pflegeroboter ein. Sie sind gut in der Unterstützung bei der Pflege. Aber er darf nicht entscheiden können, ob und wann ein Mensch gepflegt wird!

Wo sehen Sie Chancen für die Menschen durch die KI?

Schnabel: Es gibt viele Chancen! Ich denke an den Einsatz in der Krebsforschung beispielsweise. Ich könnte mir vorstellen, dass die Fähigkeit, große Datenmengen zu sammeln und auszuwerten, hilfreich ist. Wenn wir verantwortungsbewusst mit KI umgehen, wird sie eine Bereicherung für uns sein.

Kriegisch: Wenn der Mensch in der Lage bleibt, die Dinge zu steuern, dann kann KI uns nutzen und helfen. Die Frage ist, ob wir den Stecker noch ziehen können, wenn es ausufert.