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Fußball-WM in Katar

22.11.22 Sibylle Schwenk und Pfarrer Bernhard Richter in der Reihe „Wort zum Sonntag“ Schwäbische Post

Eigentlich wäre Deutschland ab dem 20. November im sportlichen Ausnahmezustand: die Fußball-Weltmeisterschaft beginnt. Ein Ereignis, das sonst so viele Menschen beim Public Viewing zusammenbringt, das dafür sorgt, dass in Familien Parties gefeiert und Autokorsos organisiert werden, das auch das Gefühl vermitteln kann, wie im „Sommermärchen“ 2006, dass die Stimmung im Land besser wird.

Noch nie war die WM so umstritten wie in diesem Jahr. Der Golfstaat Katar hat sich unter dem Vorwurf von Schmiergeldern die WM erkauft. FIFA-Chef Gianni Infantino wohnt inzwischen sogar in Katar. Ein Land, das Menschenrechte mit Füßen tritt, in dem Frauen nicht gleichberechtigt und homosexuelle Menschen vom Gefängnis bedroht sind, wird Gastgeber des sportlichen Spektakels sein. Prekär ist die Lage zudem für die aus Nepal, Pakistan, Indien, Bangladesch und den Philippinen stammenden Niedriglohnarbeitern, die oft unter sklavenartigen Bedingungen dort schuften. Einer Analyse der britischen Tageszeitung „The Guardian“ zufolge, sollen seit der Vergabe der WM im Jahr 2010 bis ins Jahr 2021 mehr als 6500 Gastarbeiter zu Tode gekommen sein.

Dennoch steht der Sport, und hier im speziellen der Fußball, für ein verbindendes Element unter den Ländern und den Menschen. Fußball bedeutet Zusammenhalt und Teilhabe. Die Redaktion hat mit einem bekennenden Fußball-Fan gesprochen, mit Pfarrer Bernhard Richter. 

  1. Werden Sie am kommenden Sonntag, dem Totensonntag, um 17.00 Uhr vor dem Fernseher sitzen und das Eröffnungsspiel Katar vs. Ecuador anschauen?

Nein, ich schaue es nicht, wie ich mir vorgenommen habe, überhaupt kein WM-Spiel zu schauen. Dazu finde ich die Eröffnung am Toten- und Ewigkeitssonntag, also einem Gedenktag, der geschützt sein sollte, skandalös.

  1. Was sagen Sie dazu, dass die WM in einem Staat ausgetragen wird, der mit Fußball nichts am Hut hat?

Ich sage nur; es geht ums Geld und sonst um nichts. Und das ist traurig.

  1. Geht es hier auch darum, das Land im guten Sinn voran zu bringen? Glauben Sie, dass dies gelingen wird?

Nein, das wird nicht gelingen. Der Fokus der Öffentlichkeit wird vier Wochen auf diesem Land liegen, aber dann ist das Turnier und das Land schnell wieder vergessen.

  1. Was finden Sie verwerflicher: Dass die FIFA Katar im Wissen um die dort herrschenden Menschenrechtsverletzungen die WM gegeben hat oder die Tatsache, dass sich der DFB nicht klar positioniert?

Beides ist gleich schlimm. Und beides ist nicht zu entschuldigen. Nicht die Fans, die jetzt schauen, sind anzugreifen, sondern die, die diese WM dorthin vergeben haben und sich als Verband nicht deutlich genug dagegen positionieren.

  1. Warum melden sich auch die Sportler aus Ihrer Sicht so wenig zu Wort?

Ich glaube, dass viele Sportler ihren Sport machen, ihren Erfolg haben wollen, und sich wenig bis gar nicht für Politik interessieren. Das ist sehr schade, denn die vergessen, dass sie Botschafter/in ihres Landes sind und es sehr wohl Beachtung findet, wenn Spitzensportler sich zu wichtigen politischen Themen positionieren,

  1. Was sollte sich in Zukunft bei der Vergabe der Ausrichtungsstätten grundlegend ändern?

Große Turniere jedweder Sportart dürfen in einem Land, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden, keinesfalls stattfinden.. Die WM hätte gar nicht nach LKatar vergeben werden dürfen.

  1. Feuern Sie – trotz allem – die deutsche Fußball-Nationalmannschaft an?

Also ich bin und bleibe Fußballfan. Darum freue ich mich auch, wenn wir weit kommen, auch wenn ich es vermutlich nicht anschaue. Und ganz ehrlich: Mir macht der Vfr Aalen viel mehr Sorgen als die Nationalmannschaft. Das müssen wir schauen, dass wir den Fussball vor Ort und die Vereine stärken und die anfeuern!