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Foto (Schwenk): Pfarrer Jochen Leitner und Karin Specht

Die Natur als Mit-Welt begreifen

18.10.2022 Sibylle Schwenk – ein Beitrag aus der Reihe „kreuz und quer“ 

Die Erde brennt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Klimakatastrophen häufen sich, Hochwasser, Waldbrände, Tsunamis. Wieder sind die ärmsten Länder am stärksten betroffen. Hungersnöte drohen, verstärkt durch die Ukraine-Krise. Letzteres stürzt uns zudem in eine Kostenspirale. Energie, ein kostbares Gut, genauso kostbar wie die Erde, die um Hilfe ruft. Dennoch scheint manchmal noch alles weit weg. Ob sich etwas ändern wird, wenn ich mich ändere? Wenn ich meinen Lebensstil ändere? Für mich, für die anderen, für die Erde? Ein Gespräch mit Karin Specht, katholische Erwachsenenbildung Ostalb (keb) und dem evangelischen Pfarrer in Großdeinbach, Jochen Leitner.

Wie schafft man es zu der Überzeugung zu kommen, dass jede kleine Handlung auch das große Ganze beeinflusst?

Leitner: Natürlich kann man durch das eigene Verhalten das große Ganze beeinflussen. Das müssen wir uns bewusstmachen! Es entwickelt sich eine Dynamik, die immer mehr Menschen dazu bringt, umzudenken. Es ist großartig, wie viele schon ihr Verhalten in Richtung Nachhaltigkeit umgestellt haben, man weiß es vielleicht nur nicht immer.

Specht: Wenn jede und jeder an einer kleinen Schraube dreht, dann geht etwas! Wir versuchen in unserer Arbeit durch Begeisterung zu überzeugen und wollen nicht belehrend sein. Damit erreichen wir die Menschen viel besser.

Findet Ihrer Ansicht nach bereits ein Umdenken in der Bevölkerung statt?

Specht: Ja, ich finde schon, dass ein Umdenken stattfindet. Und aus meiner Sicht ist es wichtig, dass das Thema immer wieder zur Sprache kommt, um zu hören, was andere aus dem eigenen Umfeld tun. Zum Beispiel die Nutzung von „festen“ Duschmitteln oder die Tatsache, dass ein Geschenk unverpackt überreicht wird.

Leitner: Es gibt ein Umdenken – und eigentlich wissen wir schon alles, was zu tun ist, wie wir unseren Alltag umstellen müssen. Nur, vom Denken ins Handeln zu kommen, da hakt es manchmal noch. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es eine gewisse Gewöhnungszeit an neue Verhaltensmuster braucht. Zum Beispiel, sich beim Metzger den Wurstaufschnitt in die mitgebrachte Dose geben zu lassen.

Die momentan herrschenden Krisen zwingen uns zum Handeln…

Specht: Die Pandemie hat uns zwar in Sachen Hygienemüll zurückgeworfen, dafür war der Himmel blau, denn alle sind vor die Haustüre zum Wandern gegangen. Jetzt werden überall PV-Anlagen auf die Dächer montiert, weil Energie ein knappes Gut geworden ist.

Leitner: Es liegt an uns durch die Krisen die Natur, von der wir Menschen ein Teil sind, als Mit-Welt zu betrachten. Die Naturverbundenheit stärker wahrzunehmen, das hat uns die Pandemie gelehrt. Wir können mit der Natur und der Welt nicht weiter so umgehen, sonst fliegt uns alles um die Ohren!

Christen sprechen immer von der „Bewahrung der Schöpfung.“ Wie schaffen wir es, den Gedanken, dass die Erde ein Geschenk, ein Geschenk Gottes ist, zu den Menschen zu bringen?

Leitner: Draußen zu sein, das macht was mit uns, man nimmt die Natur als Geschenk wahr. Was wir machen, das tut uns noch viel zu wenig weh. Die Auswirkungen der Klimaerwärmung werden in anderen Ländern viel stärker spürbar. Und man muss sich ja auch fragen: Welche Welt will ich meinen Kindern hinterlassen? Nehmen wir die Dinge stärker in den Blick, die uns als selbstverständlich erscheinen! Die Bewahrung der Schöpfung kann nicht nur eines unter vielem anderen sein, es ist eine Wesensäußerung im Glauben an Gott.

Specht: Wir haben keinen Planeten „B“. Als Christin sehe ich das und mache es mir täglich bewusst. Wir spüren als Christen Kraft aus der Natur und zahlreiche Pilgerwege laden zu diesem Erleben ein.  

Leitner: Wenn wir das eigene Leben als Geschenk begreifen, ändert sich die Sicht auf die Mit-Welt. Ich kann entscheiden etwas zu machen, oder nicht zu machen. Ich sehe die Dankbarkeit als Lebenskammer für Glück und Hoffnung. Aus der Dankbarkeit kommt viel Energie – und das können wir als Menschen und Christen ausstrahlen.