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Fritscher Karin 2016
Foto (Schwenk): Karin Fritscher, Pastoralreferentin und Klinikseelsorgerin

Glauben heißt nicht wissen

01.07.2022 von Karin Fritscher 

So sagt man im Volksmund: Gemeint ist damit in etwa: Ich denke, das ist so, weiß es aber nicht. Davon wird dann abgeleitet, dass man in Glaubensdingen nichts wissen kann.
Allerdings bedeutet „glauben“ oft auch etwas Anderes, vor allem wenn es um Religion geht. „Ich glaube an dich“ bedeutet, dass ich mein Vertrauen in dich setzte und dir etwas zutraue – und eben nicht, dass ich mir nicht sicher bin.
Heute begehen wir das Fest des Hl. Thomas. Berühmt ist er als „Zweifler“. Er hat den anderen Jüngern nicht einfach geglaubt, dass Jesus auferstanden ist, sondern er wollte Christus erst selber sehen und anfassen. Als dieser ihm dann tatsächlich begegnet und ihm seine Wunden zeigt, da ist Thomas so überwältigt, dass er nur noch ein Glaubensbekenntnis ablegen kann: „Mein Herr und mein Gott!“.
Für mich ist Thomas nicht der Zweifler, sondern der Realist. Einer, der mit dem Verstand prüft, was es mit diesem Christus auf sich hat, und nicht einfach etwas übernimmt, was er nicht versteht. Glauben heißt ja nicht, unbesehen alles für richtig halten, was mir erzählt wird. Der Glaube muss sich vom Verstand prüfen lassen.
Glaube und Wissen schließen sich nicht aus, sondern fordern sich gegenseitig. Glaube ist nicht blindes Vertrauen, sondern wissendes, erfahrenes Vertrauen. Erst wenn die Erfahrung vorausgegangen ist, kann ich auch einmal blind vertrauen, weil ich an jemanden glaube.
In diesem Thomas begegnen uns also beide Auffassungen von „glauben“. Einmal, dass er unbewiesen nicht glaubt, was ihm erzählt wird. Er will es erst selber erfahren, überprüfen – und dann wissen. Zum anderen Begegnet er Christus und glaubt dann an ihn. Er setzt also sein Vertrauen in Christus, weil er ihn erlebt hat.
Für unseren eigenen Glauben wünsche ich uns die Bodenständigkeit des Thomas, der nicht einfach alles „unbesehen“ glaubt, sondern sehen und verstehen will, der aber auf der anderen Seite auch sein Vertrauen in Christus setzt, weil er an ihn glaubt.