"Kirche der Zukunft" startet richtig durch
Sibylle Schwenk im Gespräch mit Kornelia A. Lüttmann von der Erzdiözese Freiburg
Unsere Firma „Kirche“ braucht neue Strukturen. Jede Firma, deren Personal ständig abnimmt und deren Produkt nicht mehr oder ganz anders gefragt ist, muss handeln. Sie muss handeln, damit Zukunft möglich und gestaltbar bleibt. Und sie muss handeln, um weiterhin ihren Platz bei den Menschen haben zu können. Genau dies ist jetzt im vollen Gange. Noch unter Bischof emeritus Dr. Gebhard Fürst wurde der Gebäudeprozess angestoßen, in dem die Seelsorgeeinheiten die nicht sakralen Gebäude auf ihre Notwendigkeit hin überprüfen sollen. Bereits das hat das Kirchenvolk sehr beschäftigt und tut es noch. Nun hat unser neuer Bischof Dr. Klaus Krämer auch den Prozess „Seelsorge in neuen Strukturen“ gemeinsam mit dem Diözesanrat auf den Weg gebracht. Ziel des Prozesses soll sein, sinnvolle „Raumschaften“ zu bilden, um Synergien im Verwaltungs- und Leitungsbereich nutzen zu können. Das bedeutet: Der Zusammenschluss in Seelsorgeeinheiten soll aufgelöst und neu gebündelt werden; und zwar so, dass es neue, große Kirchengemeinden geben kann, die als Körperschaften des Öffentlichen Rechts fungieren und in Teams sowohl inhaltlich, als auch rechtlich-verwaltend tätig sein können. In unserem Dekanat sprechen wir hier von 133.000 Katholikinnen und Katholiken (vor 20 Jahren waren es noch 30.000 mehr), die seither in 105 Kirchengemeinden und 25 Seelsorgeeinheiten zwar den Glauben vor Ort leben können, aber eben auch in kleinteiligen Strukturen verhaftet sind.
Dass die „Seelsorge in neuen Strukturen“ ein wichtiger und richtiger Prozess ist, darüber ist man sich einig. Die echo-Redaktion hat deshalb auch mal in eine andere Diözese geschaut. Genauer, in die Erzdiözese Freiburg, die diesen Prozess bereits im Juni 2022 im Rahmen der Diözesanstrategie mit Erzbischof Stephan Burger angestoßen hat und dementsprechend weiter ist. Die Fragen gehen an Kornelia A. Lüttmann, Referentin für Kirchenentwicklung und Strategie in der Erzdiözese Freiburg.
- Liebe Frau Lüttmann, für eine zukunftsfähige Seelsorge haben Sie beschlossen, dass aus den bisher 224 Seelsorgeeinheiten ab dem Jahr 2026 insgesamt 36 neue Pfarreien werden. Das ist doch ein sehr großer Schritt. Was ist der Vorteil daran bzw. warum haben Sie sich für diese Variante entschieden? (Anm.d.Red. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart entscheidet der Diözesanrat in seiner Sitzung am 27. Und 28. November, welche Variante für die 280 Seelsorgeeinheiten gewählt wird)
Wenn wir die Sache angehen, dann richtig! Bei der Entscheidung, wie die neuen Pfarreien räumlich aufgeteilt werden, haben sich viele in den Gremien vor Ort beteiligt. Wir haben viele Beteiligungsformate organisiert, bei denen sich die Leute einbringen konnten. Die Bildung der großen Pfarreien ist eine Entscheidung für die Zukunft. Damit wollen wir vermeiden, dass alle zwei Jahre nachgebessert werden muss. Die neuen, großen Räume bieten uns die Möglichkeit, Schwerpunkte zu setzen und unser Profil zu schärfen. Wir behalten Bewährtes bei, werden uns aber auch von manchem verabschieden und Dinge mal ganz anders machen. Wir möchten ein neues Bild der Kirche auf den Weg bringen. Haltungen und Inhalte stehen dabei an erster Stelle und erst danach geht es um die Struktur.
- Wie ist die Entscheidung bei den Menschen angekommen? Mussten Sie auch Widerstände aushalten?
Natürlich! Das sind so große Veränderungen in der Kirchenlandschaft, dass Angst oder eine eher abwehrende Haltung ganz natürlich sind. Andererseits nehmen wir aber auch wahr, dass viele Menschen froh sind, dass sich endlich etwas tut. Damit ist Erleichterung und Hoffnung verbunden, dass wir als Kirche auch in Zukunft in der Gesellschaft eine Rolle spielen können. Wir haben tatsächlich keinen Aufschrei der Empörung wahrgenommen. Und ehrlich: Jetzt haben wir noch die Möglichkeit, diesen Weg selbst zu gestalten. Wenn wir nichts tun, dann zwingt uns in ein paar Jahren vermutlich der Mangel an Geld und Personal dazu. Da ist es doch ein gutes Gefühl, jetzt noch Gestaltungsspielräume nutzen zu können!
- Es geht bei dem Prozess ja auch um die Entscheidung für unterschiedliche Varianten, was die Leitung der Großpfarrei betrifft. Dabei kommt der Titel Pfarreiökonominnen und -ökonomen ins Spiel…
Wir haben uns da strikt an das Kirchenrecht gehalten. Der Pfarrer ist der Leiter der Pfarrei. Er hat ein Team um sich mit stellvertretendem Pfarrer, einer/einem leitenden Referent/in und eben dem Pfarreiökonomen oder der Pfarrökonomin. Das sind Verwaltungsprofis, deren Aufgabe es ist, den Pfarrer hier zu entlasten. Damit werden Kapazitäten frei für die Seelsorge. Die Pfarreiökonom/innen kommen bei uns zumeist aus den kirchlichen Verrechnungsstellen und kennen sich bereits bestens aus.
- Wie läuft es momentan bei Ihnen? Konnten Sie den Kirchenmitgliedern, den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden die Angst nehmen?
Wir gehen ja ab 01.01.26 in die zweite große Projektphase. Die neuen Pfarreien sind dann errichtet und wir probieren bis zum Jahr 2030 aus, wie es in den neuen Strukturen läuft. Es muss und kann zu Beginn einer solchen Umstrukturierung nicht alles gleich perfekt laufen. Deshalb gibt es auch von der Bistumsleitung her die klare Ansage: Es ist klar, dass wir auch Fehler machen werden. Das ist okay. Wir werden dann nachjustieren.
Die Angst, die mit großen Veränderungen verbunden ist, nehmen wir sehr ernst. Wir benennen klar, dass es Abschiede geben wird. Und das tut weh! Wir stellen im Internet unter www.kirchenentwicklung2030.de unseren Kirchengemeinden Material zur Verfügung, wie Abschiede und Übergänge gut gestaltet und in Rituale eingebunden werden können.
Was auch zu Irritationen führt, ist die Tatsache, dass es – was die Gestaltung vor Ort betrifft – von der Erzdiözese keine Vorgaben bis ins Detail gibt. Diese neue Freiheit ist für uns alle noch ungewohnt. Wir geben durch viele Beteiligungsformate die Möglichkeit der Mitgestaltung und machen diese auch sichtbar. Insofern ist die Kommunikation in diesem Prozess besonders wichtig.
- Haben Sie für unsere Diözese Mut machende Worte?
Es ist ein gutes Gefühl, dass wir uns auf den Weg gemacht haben und das Neue einfach probieren. Wir haben alle keine fertigen Konzepte, deshalb müssen wir uns Fehler zugestehen und daraus lernen. Das, was gut ist und sich bewährt hat, daran halten wir fest. Gleichzeitig möchten wir ausprobieren, wie Kirche Menschen auch in Zukunft ansprechen kann. Wir sind als Kirche da, um Werte in die Gesellschaft zu tragen und sie zu verteidigen, wo sie verletzt werden. Dafür müssen wir als Christen weiterhin zusammenstehen.
Schaut hin, geht hin und macht mit! Dazu möchte ich Sie ermutigen!
16.10.25/Dekanat Ostalb/Schwenk
Weiterführender Link zum Zukunftsprozess der Erzdiözese Freiburg: https://kirchenentwicklung2030.de/haeufige-fragen-faq-2/
Weiterführender Link zum Zukunftsprozess der Diözese Rottenburg-Stuttgart:













