
Auf Augenhöhe
Beate Jammer in der Reihe „Wort zum Sonntag“
An einigen katholischen Kirchen oder Gemeindehäusern im Dekanat Ostalb (das räumlich dem Ostalbkreis entspricht) hängen seit einigen Tagen Banner mit der Aufschrift in Großbuchstaben: „Wähle Menschenwürde“, „Wähle Respekt“, „Wähle Solidarität“ oder „Wähle Vielfalt“. In kleinerer Schrift ist zu lesen „Dein Kreuz für Deine Werte“; und noch kleiner ist das Logo des katholischen Dekanats Ostalb als Urheber zu sehen. Macht die Kirche jetzt Wahlwerbung? Oder gar Parteipolitik?
Auf keinen Fall. Aber sie will dazu auffordern, in acht Tagen zum Wählen zu gehen und sich vorher Gedanken zu machen, welche Werte dem oder der Einzelnen und der Gesellschaft wichtig sind. Und sie weist auf grundlegende christliche Werte hin, die für unser Zusammenleben in einem demokratischen Land unerlässlich sind.
Ein Fundament bietet mir wie so oft die Bibel. Immer wieder fasziniert mich, wie dort erzählt wird, dass Jesus – noch vor seinem Reden und Handeln – Menschen anschaut. Er nimmt sie ganz wahr, so wie sie sind, er schaut sie an, bis in ihr Herz hinein. Und ich meine, darin sind genau die angesprochenen Werte erkennbar. Jesus schaut alle mit den Augen Gottes an; er nimmt den ganzen Menschen in den Blick – Menschenwürde. Und er nimmt wahr, was sie brauchen, woran sie leiden, und nimmt sie an, so wie sie sind – Vielfalt. Es sind gerade oft die Kleinen, die am Rand der Gesellschaft Stehenden, die ihm ins Auge fallen – Solidarität. Manchmal fragt er sie, was sie brauchen, und manchmal lässt er sie gehen, wenn sie sich anders entscheiden – Respekt.
Ich selbst bin so angeschaut und das regt mich an, selbst immer wieder einzuüben, Menschen so in den Blick zu nehmen: auf Augenhöhe, nicht bewertend, verurteilend, nicht nur oberflächlich nach bloßem Augenschein, sondern annehmend, solidarisch, respektvoll – so, dass ich mir morgens im Spiegel in die Augen schauen kann.